Tour durch Vringsveedel

Führung mit Günter Leitner

 

Am 14. November 2021 trafen sich die Bürger zu einem Rundgang im Vringsveedel. Günter Leitner, der uns schon bei der letzten Führung durch das Agnesviertel begleitet hatte begrüßte uns auf dem Chlodwigplatz. Fast Punkt 11 Uhr 11 starteten wir gemeinsam Richtung Severinsstraße. Wir warfen einen Blick auf das Geburtshaus von Wolfgang Niedecken, welches sich direkt vis a vis auf der Severinsstraße Nr.1 befindet. Im Schatten der Torburg lauschten wir vielen kleinen Anekdoten aus verschiedenen Jahrhunderten unserer Stadt. Angefangen vom heiligen St. Severin bis zur ältesten Brauerei Kölns - das Haus Balchem - welches heute als Bibliothek dient. Erstaunlich war für viele von uns, dass die Begrifflichkeit des „Blauen Montags“ im Zusammenhang mit dem Handwerk der Färberei steht. Die Färber konnten montags nicht arbeiten, weil das Einfärben der Stoffe mit dem Farbton Blau den ganzen Tag in Anspruch nahm. Genauso spannend war die Erklärung der Straßennamen, welche im Mittelalter entstanden und meistens die Begebenheit der Straßen widerspiegeln sollten. Manchmal handelte es sich bei den Namen allerdings um Wunschdenken der Kölner Bevölkerung, denn auf der Rosenstraße roch es nicht nach Blumen, sondern nach allen Vieharten, die durch diese Straße getrieben wurden. Auch die Straße Im Ferkulum hatte nichts mit Schweinen zu tun, sondern "fericulum" hieß im Mittelalter das Tragegestell, mit dem die zinspflichtigen Bauern ihren Zehnten zum Stift St. Severin trugen. Wir hatten Glück, denn wir mussten vom Dom aus nicht über die Severinsstrasse an Schmitz Backes vorbeilaufen – und wer jetzt dabei an den Rosenmontagszug denkt, dem sei gesagt: Hier gab es anstatt Kamelle und Strüßjer Prügel von den Leuten am Straßenrand. Natürlich nur für die Leute, die im Sinne des Erzbischofes etwas Unrechtes getan hatten.

 

Wir gingen weiter zum Weinberg der Severinstorburg. Von da aus hatte man einen guten Blick auf das Haus der Familie Gens. Die passende Geschichte dazu  hatte Günter prompt parat :Es handelte sich dabei um die sensationelle Entdeckung des Grabmals des römischen Legionärs Lucius Poblicius durch die Söhne der Familie Gens, die am Chlodwig Platz 24 ein Textilbekleidungsgeschäft besaßen. Da die Stadt zuerst kein Interesse bekundete war sie später gezwungen, das Grabmal für 500.000 DM der Familie Gens abzukaufen. Es steht noch heute im Römisch Germanischen Museum.

 

Weiter ging es zum alten Pfandhaus, das im Baustil des Klassizismus erbaut wurde. Die Inneneinrichtung spiegelt den Zeitgeist der 50er Jahre wieder. Von dort aus bewegten wir uns mit Blickrichtung zum roten Funkenturm den Kartäuserwall entlang.  Unser Blick schweifte nach links Richtung Elsassstraße und in Gedanken waren wir beim „Polterovend vun Pitter un Marie“.

 

Ein kurzer Stopp Ecke Brunostraße lässt uns bei den Möhnen verharren, die auch Quisel genannt wurden. Gemeint waren damit ältere, ledige Frauen, die gerne über andere Leute sich den Mund zerrissen. Diese wohnten alle zusammen im sogenannten Möhnen Konvent. Zur Günters Freude hatte er unter den Anwesenden auch sogenannte „Aborigines“ ausgemacht, denen er gezielte Fragen stellte. An dieser Stelle wollte er wissen, welche Firma früher dort ihren Standort hatte. Eine Teilnehmerin - von Günther als Aborigines identifiziert und persönlich angesprochen entgegnete ihm ganz entschlossen:

 

Ich bin keine Aborigine - Ich bin he nur geboren!“.

 

Amüsiert folgten wir Günther in die Straße Karthäuserhof und kamen am ehemaligen Wohnhause von Wolfgang Niedecken entlang. Begeisterung machte sich breit, als Günther ein Kirchenlied anstimmte, um uns einen Eindruck zu vermitteln wie die kölsche Sprache in der Lage ist, sich silbenmäßig so zu dehnen, damit sie einem Kirchenlied gerecht werden kann. Günther vertrat hierbei die Auffassung, dass auch manchem Karnevalssong eine gewisse Entschleunigung guttäte, damit sich die Mitsingenden mehr auf den Inhalt fokussieren können.

 

Weiter ging es zur Kartäuser Kirche, die seit 1922 zur evangelischen Gemeinde gehört. Der Orden der Kartause ließ sich 1334 in Köln nieder und war damals die reichste Diözese von Köln, was die französischen Besatzungen veranlasste, auf dem direkten Weg zur Plünderung hierhin zu kommen.

 

Pfarrer Mathias Bonhoeffer, der uns spontan am Tor begegnete und von Günter Leitner gefragt wurde, ob heute noch der Schrein des heiligen St. Severin nach der Prozession in die Kartäuser Kirche darf, beantwortete diese Frage mit einem selbstverständlichen ja.

 

An der Südseite der Kirche gab es eine wunderbare Gelegenheit zu verweilen, da ein Garten mit Sitzgelegenheiten sich mitten zwischen den Gemäuern befindet. Die alten Mauern der Kartäuser Kirche und den umliegenden Gebäuden des Klosters strahlen Ruhe aus, laden ein zum Meditieren oder zu Verweilen und verhelfen den Menschen in Ruhe zu sich selber zu finden. Der Innenraum der Kartäuserkirche beeindruckt durch seine schlichte Schönheit und seine imposante Orgel, die von einem Orgelbauer aus Köln-Mülheim stammt.

 

Weiter geht’s durch die Jakobstraße am Geburtshaus von Gerhard Jussenhofen vorbei, was Günter Leitner dazu veranlasst, spontan das Motto-Lied für unsere Gruppe anzustimmen: „Man müsste nochmal 20 sein.“ Wir lassen die Kneipe Wirtz links liegen und folgen der Straße weiter am Lokal Toscanini vorbei, hinter dem wir links über einen großen Parkplatz abbiegen. An den Parkplatzproblemen innerhalb des Veddels macht Günter Leitner den Konflikt innerhalb unserer Stadt deutlich. Der Verkehr wird aus ökologischer Sicht eingeschränkt und ansprechend im Sinne jüngerer Menschen gestaltet, was fehlt sind Konzepte für die älteren Bewohner der Stadt.  Die älteren Mitbürger sind teilweise auf das Transportmittel Auto angewiesen und können nicht mal eben auf das Lastenfahrrad umsatteln.

 

Die ehemalige Kneipe von Jean Jülich säumt unseren Weg bevor wir den Spielplatz überqueren, um in die Straße „Im Dau“ zu kommen. Dort steht der Brunnen „Bestefa“, der seit den 70 er Jahre zugemauert ist. Ein Herzensprojekt von Günther Leitner, der diesen Brunnen und auch den Spielplatz daneben gerne mit Sponsoren wieder zum Sprudeln bringen würde. Es scheitert bis heute an dem Veto des Grünflächenamtes, das eine Sperrung der Straße für mindestens – in Köln weiss man, dass nichts pünktlich fertig wird– von 3 Monaten für ausgeschlossen hält. An dieser Stelle begrüßen wir in unsere Reihe einen weitere Aborigine, die früher in dieser Straße zu Hause war.

 

So langsam kommen wir zum Ende unserer Führung und machen uns auf dem Weg Richtung Severinsstrasse, vorbei am ersten lesbischen Lokal von Köln. Auf der Severinsstrasse marschieren wir Richtung Severinstorburg, vorbei am Kino Odeon, das ehemalige Theater von Trude Herr. Schräg gegenüber gab Trude immer dem Wirt von der Kneipe „Em Scheffge“ ihre Theaterkarten zum Verkauf.
Im Vringsveedel kannte und half man sich eben untereinander.

 

Am Severinskirchplatz verabschiedet sich Günter Leitner von uns mit einer letzten eigenen Anekdote aus der Pfarrgemeinderatssitzung im Vringsveedel, an dem auch Hans Reissdorf teilnahm. Die Bitte von Günter Leitner, das Kölsch auf dem Tisch kalt zu stellen, wurden mit folgenden Worten von Hans Reissdorf kommentiert: „Je schneller wir die Sitzung beenden, desto kälter bleibt das Kölsch.“

 

Unser Vorsitzender Michael Melles bedankte sich bei allen Teilnehmern und gab sich hoffnungsvoll mit einem Ausblick auf eine weitere Führung, demnächst in einem anderen Stadtteil. Wir alle haben genau wie unser Vorsitzender Lust auf Mehr bekommen.

 

Fazit: “Man erfährt auf geführten Stadtrundgängen immer noch etwas, was man noch nicht wusste - auch die sogenannten „Aborigines“!

 

Wir sagen vielen Dank dafür!