Eine Führung durch das Agnesviertel am 07.04.2019

oder „Hat die Blume einen Knick, war der Schmetterling zu dick“.

 

Über 40 Anmeldungen konnten wir an diesem warmen und sonnenreichen Vormittag verzeichnen, als wir uns anschickten, gemeinsam das Kölner Agnesviertel zu erkunden. Der Grund für diesen großen Zuspruch lag sicherlich darin, dass wir mit Günter Leitner nicht nur einen der renommiertesten Stadtführer Kölns gewinnen konnten, sondern Günter Leitner seinen Zuhörern ein unglaubliches Wissen vermitteln kann, das weit über das Thema des eigentlichen Vortrages hinausgeht.

 

Das Agnesviertel, benannt nach der zweitgrößten Kirche Kölns, der Agneskirche, steht für eine markante Mischung aus früherem Arbeiterviertel und einem der nobelsten Wohnviertel im 19. Jahrhundert.

 

Sankt Agnes ist das Herz des Viertels und bildet den geographischen Mittelpunkt des Viertels. Neun Straßen berühren sie und wer sich zwischen Ebertplatz, Rhein und der Inneren Kanalstraße bewegt, hat meistens einen Blick auf ihren 62 m hohen Kirchturm. Sie wurde 1896 – 1903 als Hallenkirche mit Turm an der Eingangsseite, Querschiff und Kapellenbauten in neugotischen Formen nach Plänen von Carl Rüdell und Richard Odenthal erbaut. Sie ist eine Stiftung des Kölner Bürgers Peter Joseph Roeckerath, der seinen eigenen Namenspatron, sowie die Patrone seiner Frau Agnes und seiner zwölf Kinder in Statuen am Außen- und Innenbereich der Kirche darstellen ließ. In der Petruskapelle fand er seine letzte Ruhestätte.

 

Als im Jahre 1881 mit dem Abriss der Stadtmauern die sogenannte Neustadt entstehen sollte, wurden im Westen das Belgische Viertel, im Süden die Südstadt und im Norden das Agnesviertel geboren. In schmucklosen Mietshäusern rund um den belebten Kirchplatz auf der Neusser Straße ist auch heute noch das ganz normale Leben zu Hause. In den Seitenstraßen findet man jedoch prunkvolle „Gründerzeitpaläste“ und das Schloss, wie Heinrich Böll, einer der bekanntesten Bewohner des Agnesviertel, das Oberlandesgericht nannte. Auch wenn das Viertel im Zweiten Weltkrieg relativ wenig zerstört wurde, bemühte man sich nach dem Krieg um einen historischen Wiederaufbau. Zahlreiche Behörden, wie etwa das Landesarbeitsgericht, die Oberfinanzdirektion, das Oberlandesgericht oder das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt haben ihren Sitz in teils architektonisch sehr ansprechenden Gebäuden. Neben Heinrich Böll, der eine schicke Altbauwohnung in der Hülchrather Straße 17 bewohnte und hier „ Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ verfasste, waren oder sind noch bekannte Kölner, wie etwa Harald Schmidt oder Richard Rogler, Bewohner dieses Viertels, das heute eine bunte Mischung aus alteingessenen und jungen Familien darstellt.

 

Günter Leitner zeigte uns in der Blumenthalstraße 23 den Sitz des 1955 gegründeten Joseph Haydn Instituts, das weltweit einzige Forschungsinstitut zu Leben und Werk des Wiener Klassikers. Wir sahen in der Riehler Straße 23 das Geburtshaus von Hilde Domin, einer der bedeutendsten Lyrikerinnen, die in dieser imposanten Jugendstilvilla 1909 das Licht der Welt erbickte. Unsere Führung ging weiter durch den inneren Grüngürtel zum Fort X, das 1830 errichtet wurde und ca. 300 Soldaten Unterkunft bot. Heute befindet sich ein Rosengarteninnerhalb der Festungsanlage und verschiedene Vereine, wie etwa die Fidele Kölsche, haben hier ihre Heimat gefunden.

 

Weiter ging es zum Eisstadion an der Lentstraße. Mit großem Bedauern erinnerte Günter Leitner daran, dass beim Bau versäumt wurde, hier eine Eislauffläche zu errichten, die auch internationalen Maßstäben gerecht geworden wäre. Mit ihrer heutigen Länge von knapp 200 Metern hätte das Eisstadion an der Lentstraße für den Profisport seine Bedeutung verloren.

 

Günter Leitner ließ es sich nicht nehmen, uns auch auf den Sitz der Medica Mondiale in der Hülchrather Straße 4 aufmerksam zu machen. Diese weltweit tätige Frauenrechtsorganisation leiste unter Führung von Frau Dr. Monika Hauser großartige Hilfe für Frauen in Not und es sei – so Günter Leitner – für ihn eine Selbstverständlichkeit, im Rahmen seiner Führung durch das Agnesviertel auf die großartige Arbeit dieser Institution hinzuweisen.

 

Nach über zwei Stunden neigte sich die Führung ihrem Ende zu. Günter Leitner war es wieder einmal gelungen, uns allen – die da glaubten, das Agnesviertel zumindest ein wenig zu kennen – einen ganz neuen Blick auf dieses herrliche Viertel zu verschaffen. Die Fülle seiner Informationen wiederzugeben, ist schier unmöglich. Für alle Teilnehmer war es ein herrlicher und lehrreicher Vormittag. Und so entließ uns Günter Leitner mit einem freundlichen Lächeln und der Schlussinformation:

 

Hat die Blume einen Knick, war der Schmetterling zu dick“.

 

 

 

Michael Melles